Die Bundesregierung muss die Haftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe grundlegend neu ordnen. Die heute von der Großen Koalition im Gesundheitsausschuss beschlossene Regressbeschränkung der Kranken- und Pflegekassen bei Geburtsschäden ist unzureichend zur Rettung der freiberuflichen Hebammen. Die Beschränkung muss für alle Schäden gelten. Das tut die jetzige Regelung nicht.
Hintergrund ist die erneute drastische Erhöhung von Haftpflichtprämien für Hebammen zum 1. Juli. Die Verhandlungen zwischen Deutschen Hebammenverband und den Krankenkassen zum Ausgleich dieser Kostensteigerungen waren jüngst gescheitert. Jetzt entscheidet die Schiedsstelle. Was vermutlich Monate in Anspruch nehmen wird.
Bis jetzt hat die Bundesregierung zur Absicherung der Hebammentätigkeit viel versprochen. Die Lösungsvorschläge sind aber nur halbherzig. Sie verbessern die Situation der Hebammen und der werdenden Eltern nicht. Die heute im Bundeskabinett beschlossene Regressbeschränkung ist leider so schlecht gemacht, dass sie nicht zu einer Senkung der Kosten für die Haftpflichtversicherung führen wird. Das hilft den Betroffenen nur unzureichend. Der Regressbeschränkung muss für alle Geburtsschäden gelten, statt nur für freiberufliche Hebammen. Letztlich ist eine grundlegende Neuordnung der Haftpflichtversicherung für alle Gesundheitsberufe notwendig.
Hintergrund:
Mit einer bloßen Steigerung der Vergütung allein kann das Problem der steigenden Haftpflichtprämien nicht vollends gelöst werden. Hebammen-Haftpflichtversicherungen sind für die Versicherer eher unattraktiv. Immer mehr Unternehmen steigen aus dem Geschäft aus. Die Bundesregierung versucht, dieses Problem mit dem Regressbeschränkung der Kranken- und Pflegekassen gegenüber den Versicherern aufzufangen. Das bedeutet, die Kassen können sich die Gelder, die sie für die Behandlung und Pflege von Kindern mit Geburtsschäden ausgeben, nicht mehr von den Versicherungen zurückholen.
Leider ist die Regressbeschränkung der Bundesregierung so schlecht gemacht, dass sie nicht zu einer Senkung der Kosten für die Haftpflichtversicherung führen wird. Sie wird nämlich nicht in Fällen grober Fahrlässigkeit gelten. Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages waren die Sachverständigen einig, dass durch diese Einschränkung allenfalls fünf Prozent aller Kosten, die bei Geburtsschäden entstehen, eingespart werden kann. Dafür wird es aber zu vermehrten Anstrengungen der Kassen kommen, der Hebamme im Schadensfall grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen. Zudem ist die Regressbeschränkung nur für freiberufliche Hebammen vorgesehen. Das lässt sich kaum begründen, da auch festangestellte Hebammen wegen mangelnder Versicherungshöhe der Kliniken oftmals eine zusätzliche Haftpflichtversicherung brauchen, ganz zu schweigen von denjenigen Kliniken, die gar keine Versicherungen haben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten darüber hinaus eine Beschränkung auf Hebammen allgemein für fragwürdig, denn auch andere Gesundheitsberufe leiden massiv unter steigenden Haftpflichtprämien.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern daher die Regressbeschränkung nur als eine kurzfristige Lösung, um schnell Abhilfe schaffen zu können. Sie muss aber für alle Geburtsschäden, statt nur für freiberufliche Hebammen gelten. Aber sie muss für einen Übergangszeitraum befristet sein, bis eine Lösung für alle Gesundheitsberufe gefunden ist. Die Übertragung der Regelungsprinzipien der Unfallversicherung auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle medizinischen Berufe erscheint als grundsätzliche Lösung vielversprechend. Damit würde das Problem von Grund auf angegangen, da die Prinzipien der Unfallversicherung, wie bspw. nicht gewinnorientierte Prämien, Versicherungspflicht und Stärkung der Patientensicherheit mit den Anforderungen an eine Berufshaftpflicht für Gesundheitsberufe vereinbar sind. Darum fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung der Haftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe diese Möglichkeit zu prüfen.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition ist zu lesen: „Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen.“ Mit der Einlösung dieses Versprechens hapert es allerdings.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich weiterhin für nachhaltige Lösungen für die Hebammen und für den Erhalt der Wahlfreiheit einsetzen.
Ich stehe selbst gerade unmittelbar vor der Geburt meines zweiten Kindes.
Bild: ©Katrin Schindler/PIXELIO
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