In der Frankfurter Rundschau vom 05.01.2017 erschien mein gemeinsamer Gastbeitrag mit Gerhard Schick. Unter der Überschrift „In Nachhaltigkeit investieren“ zeigen wir auf, wie die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz zwar redet, aber dennoch weiter in fossile Energien investiert während andere längst verstanden haben, wie wichtig Divestment ist.
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In Nachhaltigkeit investieren
Die Bundesregierung redet über Klimaschutz und Energiewende – und investiert öffentliches Geld weiter in Kohle, Öl und Gas. Ein Gastbeitrag.
Münster hat es getan, Oslo und San Francisco. Ebenso die Allianz, eine der Rockefeller-Stiftungen, der norwegische Pensionsfonds und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau: Divestment. Sie haben sich von Aktien und Anleihen aus der Kohle und dem Öl- und Gasgeschäft getrennt oder sind auf dem Weg dorthin. Denn Klimaschutz muss auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Nicht nur im Energiesektor, beim Verkehr und im Agrarbereich brauchen wir eine Wende, es ist auch höchste Zeit für die Finanzwende.
Das ist offenkundig angesichts wackelnder Banken, blasenartiger Marktentwicklungen und Negativzinsen, die zeigen, dass acht Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers die eigentliche Neuaufstellung des Finanzmarkts noch nicht gelungen ist. Es zeigt sich aber auch an der wichtigen Schnittstelle zwischen Finanzwirtschaft und Energiesektor. Denn immer noch investieren Anleger und Unternehmen Milliarden in fossile Brennstoffe – und bekommen dafür Geld von Banken, Fonds und anderen. Weltweit fließt das meiste Geld in den fossilen Sektor. So schätzt die Internationale Energieagentur, dass allein im Jahr 2015 rund 900 Milliarden Dollar in die Förderung von Kohle, Öl und Gas investiert wurden. Dabei ist spätestens seit dem Klimaabkommen von Paris klar, dass das fossile Zeitalter zu Ende gehen muss. Nur wenn es uns gelingt, die Erhitzung der Erde auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, werden wir die Klimakrise in Zaum halten können. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn 80 Prozent der fossilen Brennstoffe unter der Erde bleiben. Im Klartext: Die Profite der alten Energiewirtschaft stehen im direkten Widerspruch zur Rettung unseres Planeten.
Wissen, wo das Geld angelegt wird
Das Problem ist, dass nicht nur viele Sparer und Kleinanleger nicht wissen, wo sie ihr Geld anlegen, sondern auch viele Städte, Bundesländer und öffentlichen Institutionen keinen Überblick haben, was die Unternehmen besitzen und tun, bei denen sie ihr Geld angelegt haben. Ob mit den eigenen Renten- oder Pensionsfonds in Kohlekraftwerke, in die Pornoindustrie oder in Rüstung investiert wird, weiß eigentlich niemand so recht. Vor diesem Hintergrund hat die EU die Richtlinie zu unternehmerischer Verantwortung für soziale und Umweltbelange (Corporate Social Responsibility, CSR) verabschiedet.
Ihr Ziel ist es, Unternehmensverantwortung sichtbar zu machen. Firmen und Konzerne sollen dazu gebracht werden, nicht nur über ihre finanzielle Situation Auskunft zu geben, sondern auch Einblick in ökologische und soziale Aspekte ihrer Unternehmensführung zu gewähren. Bis zum 6. Dezember 2016 hätte die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Doch das hat die Bundesregierung verpasst. Und schlimmer noch: Statt die Vorgaben als Chance zu nutzen, ist sie mit ihrem Gesetzesvorschlag gerade dabei, eine Politik von Gestern zu zementieren. Denn nach dem Willen der großen Koalition müssen Unternehmen Klimarisiken in ihren Tätigkeiten nur dann offenlegen, wenn davon sehr wahrscheinlich wesentliche Risiken für Mensch und Umwelt ausgehen. Das jedoch passt nicht zum Anspruch des Pariser Klimaabkommens.
Daher muss die Bundesregierung bei ihrem Entwurf für ein CSR-Gesetz dringend nachjustieren. Zumindest zwei Punkte sollten in die Berichtspflichten aufgenommen werden: Einerseits müssen Anleger beurteilen können, ob sie in ein zukunftsfähiges Unternehmen investieren oder nicht. Dazu müssen Unternehmen klar aufzeigen, ob und wie sie sich als klimaneutrales Unternehmen aufstellen wollen oder ob sie hohe finanzielle Risiken eingehen, weil ihr Geschäftsmodell auf der Verbrennung fossiler Ressourcen beruht.
Den Klimaschaden sichtbar machen
Zum anderen sollten Unternehmen ihren Einfluss auf das Klima sichtbar machen müssen. Sowohl, was die Klimabilanz ihrer Produkte und Dienstleistungen, als auch ihrer Investitionen anbelangt. Dies ist zentral, um die Pflichten des Klimaabkommens zu erfüllen. Doch von der Bundesregierung gibt es dazu nur Lippenbekenntnisse. Im Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom August heißt es: „Erst wenn die Klimarisiken im Finanzsektor ausreichend transparent und verstanden sind, können sie richtig eingepreist werden.“ Verwunderlich, warum diese Erkenntnis nicht im Gesetz berücksichtigt wird.
Denn klar ist: Transparenz ist die Voraussetzung gut informierter Anlageentscheidungen. Privatleute sollen sich weiterhin innerhalb des legalen Rahmens gegen eine nachhaltige Anlage entscheiden können. Wichtig ist, dass dies bewusst geschieht. Für öffentliches Geld kann aus unserer Sicht Nachhaltigkeit jedoch nicht optional sein, sondern muss ein Gebot darstellen. Denn es ist volkswirtschaftlicher Irrsinn, dass der Staat Investitionen tätigt, die seinen eigenen Zielen zuwiderlaufen. Doch die Bundesregierung dreht das Rad zurück in die Steinkohlezeit. Das sieht man derzeit an zwei Stellen sehr gut: Erstens sollten öffentliche Banken und Versicherungen wie auch die beiden großen öffentlichen Rücklagenportfolios des Bundes – der Fonds für Beamtenpensionen sowie die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit – raus aus Kohle, Öl und Gas.
Dafür braucht es neue Anlagerichtlinien, die neben Stabilität und Rendite auch Nachhaltigkeit als gleichberechtigtes Kriterium enthalten. Und zweitens braucht es für die staatlich geförderte Altersvorsorge verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Doch stattdessen schafft die Bundesregierung bereits bestehende Transparenzstandards für Riester-Produkte zum Jahresanfang 2017 wieder ab. Dabei ist doch klar: die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Finanzwirtschaft das hierfür notwendige Kapital bereitstellt.
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