Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/13083 –
Fortgang der russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2
Im Jahr 2015 hat der russische Energieversorger Gazprom gemeinsam mit E.on, Shell, Engie, OMV und BASF/Wintershall den Ausbau der Nord-Stream-Pipeline vereinbart, mit der zusätzliches Erdgas aus Russland nach Deutschland geliefert werden soll. Konkret soll die Kapazität der bestehenden Pipeline bis 2019 um 55 Milliarden Kubikmeter verdoppelt werden. Nach Einschätzung der Fragesteller wird die europäische Gasnachfrage langfristig sinken. Während der russische Staatskonzern Gazprom alleiniger Projektträger ist, wird die Pipeline über eine Finanzierungsvereinbarung noch immer hälftig über europäische Energiekonzerne mitfinanziert. Da es bisher keinen europäischen Rechtsrahmen für die Ostsee-Pipeline gibt, hat die Europäische Kommission nun einen entsprechenden Vorstoß für ein Verhandlungsmandat über die Bedingungen zum Betrieb der Pipeline gemacht, der künftig unter den EU-Energieministern beraten werden soll (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1571_en.htm, http://europa.eu/rapid/pressrelease_IP-17-1571_en.htm).
Wir haben die Bundesregierung zu diesem Thema befragt. Hier eine Zusammenfassung und Bewertung der Kleine Anfrage „Fortgang der russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2“ (BT-Drs. 18/13083) der Grünen Bundestagsfraktion vom 24. Juli 2017 mit den aus unserer Sicht wichtigsten Aspekten:
Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass sie sich zu diesem klima-, europa- und sicherheitspolitisch hoch problematischen Projekt nicht politisch positionieren will, es dadurch aber auch indirekt laufen lässt.
Trotz der gestern erneut unterstrichenen politischen Sprengkraft beharrt die Bundesregierung weiterhin darauf, dass „Nord Stream 2 ein unternehmerisches Vorhaben“ darstellt. „Hierfür bedarf es aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich keines Ratsmandats für ein Abkommen mit Russland“; relevante Rechtsvorschriften müssen jedoch eingehalten werden. Der vorgelegte Vorschlag der EU-Kommission wird derzeit geprüft, eine Stellungnahme kann daher noch nicht vorgenommen werden (Frage 23).
Antwort auf Frage 2: „sie geht davon aus“, dass von den beteiligten Unternehmen die Vorgaben aus den Sanktionen eingehalten werden.
Mit Blick auf das Genehmigungsverfahren an der Anlandestelle in Mecklenburg-Vorpommern sagt die Bundesregierung, ihr sei zwar bekannt, dass Stellungnahmen zu Nord Stream 2 aus Dänemark, Polen, Schweden, Finnland, Lettland, Litauen und Estland bei den zuständigen deutschen Behörden eingegangen seien, gibt jedoch unter Verweis auf die derzeitige Auswertungsphase vor, keine Schlussfolgerungen daraus ziehen zu können (Antwort auf Frage 11).
Zudem unterstützt sie den von der EU Kommission vorgeschlagenen Rechtsrahmen für Nord Stream II nicht (Frage 16, beantwortet in der Mitte von Antwort 23).
Zur Ukraine:
Es zeigt sich hier ein eklatanter Widerspruch zwischen der offiziellen Linie der Bundesregierung bzgl. der Sanktionen gegen Russland sowie der politischen Unterstützung der Ukraine und den jetzigen Antworten des Wirtschaftsministeriums auf unsere Kleine Anfrage: So wird an anderer Stelle von Seiten der Bundesregierung öffentlich betont, dass Nord Stream 2 auch nach 2019 nicht zu Lasten der Gaslieferungen durch die Ukraine gehen dürfe, auf die Frage, ob sie das auch vertraglich verankern wolle, antwortet das Wirtschaftsministerium jedoch nicht (Frage 21) und verweist lapidar darauf, dass man Gespräche mit der Ukraine bzgl. der Modernisierung des Netzes führe (Antwort auf Frage 13), die Vorarbeiten aber von ukrainischer Seite nicht geleistet wurden.
Zur europäischen Energieunion und den Klimazielen:
Absolut unverständlich ist hier die Antwort auf Frage 15: „Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung der EU-Kommission, wonach Nord Stream 2 „nicht zu den Zielen der Energieunion“ beitrage“ (Antwort auf Frage 15), im Gegenteil, sie verweist stattdessen auf die neuen Lagerstättenfelder in Russland, die für Europa erschlossen werden könnten, auf eine verbesserte Energieversorgungssicherheit in der EU und die Interkonnektion der Energienetze, wie auch auf die bessere Versorgung von Südosteuropa.
Ein Hauptgrund des ganzen Pakets zum Energiebinnenmarkt war und ist (verstärkt durch den Ukraine-Konflikt) die stärkere Unabhängigkeit Europas von Energieimporten, d.h. Diversifizierung. Eine neue Pipeline manifestiert hingegen diese Abhängigkeit. Zudem ist bekanntermaßen erklärtes Klimaziel, die fossile Energieerzeugung zu senken. Die Aussage, dass man statt auf Energieeinsparung und Effizienz mit der neuen Pipeline (und der Folgepipeline EUGAL in Deutschland) auf die Erschließung neuer Lagerstätten setze, unterstreicht, dass dieses auf 60 Jahre angelegte fossile Infrastrukturprojekt im massiven Widerspruch zu den europäischen Klimazielen steht.
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