Am heutigen Donnerstag hat der Bundestag der Verlängerung des RSM-Mandats der Bundeswehr in Afghanistan zugestimmt. 19 Mitglieder der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stimmten dabei dem Mandat zu, 31 stimmten dagegen, 8 enthielten sich.
Ich konnte dem Mandat nicht zustimmen – es aber auch nicht komplett ablehnen, weshalb ich mich enthalten habe. Meine Beweggründe finden Sie in untenstehender persönlicher Erklärung, die Sie am Ende der Seite auch gerne im pdf-Format herunterladen können.
Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „Resolute Support Mission“
Für mich war und ist klar, dass die Übergabe der vollständigen Sicherheitsverantwortung an die Menschen in Afghanistan nicht das Ende unserer Verantwortung für Afghanistan bedeutet hat. Mit Bedauern und Sorge müssen wir feststellen, dass sich seit Beginn der Mission „Resolute Support“ (RSM) vor einem Jahr mit dem Ziel der Ausbildung, des Trainings und der Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheitslage in Afghanistan nicht verbessert hat. Nicht zuletzt die dramatisch hohe Zahl der in den vergangenen Monaten aus Afghanistan nach Deutschland Geflüchteten zeigt das sehr deutlich, aber auch die zeitweise Einnahme von Kunduz durch die Taliban. Wo vor einem Jahr nach den Wahlen und der Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit noch Hoffnung für eine positive politische Entwicklung des Landes unter dem Führungsduo Ghani und Abdullah bestand, herrschen heute Verunsicherung und Krise. Die Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien stocken. Die schlechte Sicherheitslage bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die zivile Hilfe und das wirtschaftliche Engagement Deutschlands vor Ort.
Die 2015 im Rahmen der „Resolute Support Mission“ angestrebten Ziele sind von einer Umsetzung weiter entfernt als erhofft. Es wäre aber falsch, das Ziel eines sichereren Afghanistans, in dem es für die Menschen eine Lebensperspektive gibt, deshalb aufzugeben. Die Rückschritte schmälern auch nicht die Leistung derer, die mit großem persönlichem Einsatz vor Ort ihren Dienst geleistet haben und leisten. Wir sind den in Afghanistan eingesetzten Soldat*innen, Polizist*innen sowie den zivilen Helfer*innen zu großem Dank verpflichtet.
Wir unterstreichen die Notwendigkeit, die afghanischen Sicherheitskräfte auch weiter auszubilden und sie darin zu unterstützen, selbst Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan zu übernehmen.
Das von der Bundesregierung vorgelegte Mandat allerdings stellt den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan jetzt auf Dauer, ohne klare Zielmarken zu definieren. Es ist unklar, wie mit der Ausgestaltung der „Resolute Support Mission“ vor dem Hintergrund einer blockierten afghanischen Regierung und einem Wiedererstarken der Taliban ein sinnvoller Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan geleistet werden soll – und kann. Wesentliche Rahmenbedingungen für den Erfolg der Mission fehlen auch weiterhin, wie zum Beispiel die nachhaltig gesicherte, ausreichende Finanzierung für die weitere Beschäftigung der afghanischen Sicherheitskräfte, die von der internationalen Gemeinschaft ausgebildet wurden. Ebenso fehlt der intensive Dialog mit der afghanischen Regierung mit Blick auf die mangelhafte politische und militärische Führung.
Notwendig ist außerdem die Einhaltung der finanziellen und materiellen Versprechen für den zivilen Wiederaufbau in Höhe von 430 Millionen Euro bis einschließlich 2016 und ihre anschließende Weiterführung auf hohem Niveau.
Ich sehe beides: Die Notwendigkeit einer Fortsetzung einer weiteren Ausbildung, Unterstützung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte, aber auch die Schwächen des vorgelegten Mandates. Daher habe ich heute bei der Abstimmung zur Verlängerung des Einsatzes im Deutschen Bundestag mit „Enthaltung“ gestimmt.
Persönliche Erklärung zum Afghanistan-Einsatz im PDF-Format
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