Zur Entscheidung des Europäischen Parlaments über die Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) erklärt Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik:
Der vierten Handelsperiode drohen erneut massive Zertifikatsüberschüsse und damit weiterhin Klimaschutz auf Ramsch-Niveau. Das vermeintliche klimapolitische Flaggschiff Emissionshandel droht zu sinken. Konservative, Sozialdemokraten und Teile der Liberalen haben im Europäischen Parlament heute selbst leichte Verbesserungen beim Emissionshandel verhindert. Es ist zwar gut, dass Schiffs- und europäischer Luftverkehr unter den Reduktionsfaktor fallen sollen, aber damit ist der ETS noch lange nicht fit für die Zukunft. Dass sich das EU-Parlament mehrheitlich gegen die Verbesserung des Reduktionsfaktors, gegen eine Anpassung des Startpunktes und für die weitere kostenlose Zuteilung des Zementsektors entschieden hat, ist mehr als bitter. Ohne eine deutliche Verknappung der Verschmutzungszertifikate wird es zu keinem Preissignal für CO2 kommen. Der Industrie nimmt man somit sämtliche Anreize für klimafreundliche Investitionen.
Damit es nicht bei einem klimapolitischen Bedeutungsverlust des Emissionshandels bleibt, muss die Bundesregierung im Ministerrat und den kommenden Trilog-Verhandlungen dafür streiten, dass sich der Emissionshandel endlich an den Pariser Klimaverpflichtungen orientiert und ein wirkungsvolles Preis- und Mengensignal entsteht. Andererseits führt kein Weg an einem nationalen Mindestpreis vorbei. Mit derzeit 4,95 Euro ist eine Tonne CO2 weit entfernt von den einst prognostizierten 30 Euro.
Hintergrund Zementindustrie:
Zu der laufenden Debatte über die kostenlose Zuteilung von Verschmutzungszertifikaten für die Zementindustrie: Die Antwort auf unsere Kleine Abfrage (18/10699) zeigt, dass der deutschen Zementindustrie im Zeitraum von 2008 bis 2015 4,75 Millionen mehr Emissionszertifikate zugeteilt wurden, als sie tatsächlich emittiert hat. Im Jahr 2015 wurden immerhin noch 95 Prozent der Zertifikate kostenlos verteilt. Bei einem Durchschnittspreis in diesem Zeitraum von 11,14 Euro pro Tonne CO2 entspräche dies einem Wert von circa 53 Millionen Euro, die die Industrie als möglichen Zusatzgewinn verbuchen kann. Fraglich bleibt, ob die Zementindustrie diese Subventionen genutzt hat, um sie in klimafreundliche Modernisierung ihrer Produktionsanlage zu investieren.
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