Die von der Bundesregierung geplante Kapazitätsreserve droht gegen EU-Recht zu verstoßen. Zu diesen Schluss kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seinem dazu von der Grünen Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten. Insbesondere die geplante, bezahlte Reserve von Braunkohlekraftwerken sei „beihilferelevant“ und nur schwer zu rechtfertigen.
Dazu sagt die klimapolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Annalena Baerbock:
„Die Braunkohle-Reserve ist nicht nur wirtschaftlicher und energiepolitischer Wahnsinn, sondern auch europapolitisch höchst fragwürdig. Wenn sich die EU-Kommission an ihre eigenen Beihilferegeln und klimapolitischen Beschlüsse hält, wird die Harakiri-Aktion der Kohle-Lobby gegen eine geordnete Reduzierung der Kohlekraftwerke der Bundesregierung in Brüssel noch mächtig auf die Füße fallen. Klimapolitisch gibt es wesentlich effizientere und wirksamere Instrumente, wie z.B. CO2-Grenzwerte oder einen CO2-Mindestpreis. Solche Instrumente stellen auch keine illegalen Beihilfen dar.“
in Kürze:
Der WiDi verhält sich gewohnt zurückhaltend und verweist auf die Nicht-Abgeschlossenheit des Sachverhaltes einerseits und den enormen Auslegungsspielraum der Kommission (sowohl bei der Einstufung als Beihilfe als auch bei deren Rechtfertigung). Die Kapazitätsreserve sei beihilferelevant ggf. zu rechtfertigen. Bzgl. der Braunkohlereserve ist der WiDi aber ziemlich deutlich: Die Braunkohle-Reserve sei eindeutig beihilfe-relevant, außer die Kommission baue eine komplizierte, den eigenen Richtlinien widersprechende Begründung auf. Erfüllt die Braunkohle-Reserve aber den Beihilfetatbestandes, sei es „schwer möglich“, diese zu rechtfertigen. (Siehe Zusammenfassung auf S. 21/22)
Dabei verweist der WiDi insbesondere darauf, dass die Erforderlichkeit einer zusätzlichen Kapazitätsreserve ab 2017 nicht unmittelbar ersichtlich sei, weil die Regierung selber von einer Deckung der Jahresvolllast bis 2025 ausgehe. Ursprünglich wollte der Bundeswirtschaftsminister alte Braunkohlekraftwerke mit einer Klimabgabe belegen, um das Klimaziel 2020 einhalten zu können. Er knickte jedoch vor dem massiven Widerstand von Gewerkschaften, Braunkohle-Ländern Brandenburg, Sachsen und NRW sowie von Teilen der Union ein. Daraufhin wurde ein Paket geschnürt, wonach die Produktion von Braunkohlekraftwerken mit einer Leistung von insgesamt 2,7 Gigawatt – etwa fünf große Anlagen – in eine Reserve verschoben werden sollten. Die Betreiber sollen dafür Geld erhalten. Die Kosten von 230 Millionen Euro jährlich müssten von den Stromkunden getragen werden, wobei die Regelungen bisher noch völlig unklar sind.
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