Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat eine Studie zum Stromexport bei era – energy research in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Fazit: Deutschland produziert viel mehr Strom als im Land verbraucht wird. In den letzten fünf Jahren haben sich die deutschen Stromexportüberschüsse fast verzehnfacht. Auch Brandenburg exportiert 60 Prozent des Stroms, weil gerade hier die Braunkohlekraftwerke das Stromnetz verstopfen und kaum wie eigentlich vorgesehen, bei hoher Windeinspeisung runtergefahren werden.
Der denkbar schlechteste Grund dafür: Die deutsche Bundesregierung hält an den unflexiblen Kohlekraftwerken fest. Wenn die Produktion gedrosselt wird, dann nicht bei den klimaschädlichen Kohlekraftwerken, sondern bei den Erneuerbaren-Anlagen. Für diesen Mechanismus ist die Regierung Merkel verantwortlich und deshalb auch für jede einzelne unnötig produzierte Kilowattstunde schmutzigen Kohlestroms. Wir wollen in einer Regierungskoalition die schmutzigsten 20 Kohlekraftwerke als erstes abschalten. Die stabile Stromversorgung in Deutschland ist davon nachweislich nicht berührt.
Dazu sagt Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik:
„Am Kohleausstieg führt kein Weg vorbei. Nicht nur aufgrund unserer klimapolitischen Verpflichtungen, sondern auch wegen des bevorstehenden Desasters am Strommarkt, wenn wir so weitermachen wie bisher. Es mangelt weder an erneuerbaren Energien noch an der Entwicklung von Speichern und Netzen. Es mangelt an der Bereitschaft, aus der Kohle auszusteigen. Deshalb kommen wir bei der Energiewende nicht richtig voran.“
Die gesamte Studie kann im pdf-Format direkt HIER heruntergeladen werden
Zusammenfassung der Studie:
Die Studie „Analyse des Exports von Stein- und Braunkohlestrom“ zeigt, dass die zu starre Fahrweise der Braunkohle- und Atomkraftwerke zu hohen Stromexportüberschüssen in Deutschland führt. Die Steinkohlekraftwerke werden zwar variabler betrieben, ihre Leistungsreduzierung reicht aber nicht aus, um bei hoher Windenergie- und PV-Einspeisung eine ausgeglichene Angebot-Nachfrage-Situation im Strommarkt zu erreichen. Dafür müsste auch die Leistung der Braunkohle- und Atomkraftwerke viel stärker an die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien angepasst werden.
In den letzten fünf Jahren haben sich die deutschen Stromexportüberschüsse fast verzehnfacht. Während sie 2011 nur bei 6,3 Terawattstunden (TWh) lagen, sind sie 2016 auf 53,7 TWh angestiegen (siehe nachfolgende Abbildung). Das entspricht etwa der gesamten Stromerzeugung der fünf größten deutschen Atomkraftwerke im Jahr 2016.
Die hohen Exporte werden zumeist der schwankenden Wind- und Solarstromerzeugung angelastet. Die vorliegende Untersuchung zeigt jedoch, dass sie in erster Linie auf die seit 2009 konstant gebliebene Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle zurückzuführen sind. Diese lagen 2016 bei 262 TWh, davon entfielen 150 TWh auf die Braunkohle und 112 TWh auf die Steinkohle. Bei den erneuerbaren Energien hingegen hat sich im selben Zeitraum die Strommenge auf 188 TWh verdoppelt.Die hohe Braunkohle- und Steinkohleerzeugung hat außerdem zusammen mit Netzengpässen dazu beigetragen, dass die abgeregelte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in den letzten Jahren drastisch gestiegen ist (siehe folgende Abbildung). Da die Betreiber für den nicht eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien entschädigt werden, entstehen durch die Abregelung zusätzliche Kosten, die – zu Unrecht – der Energiewende angerechnet werden. Im Einzelnen ist dieser Zusammenhang anhand der zugänglichen Daten kaum zu analysieren, da die Abregelung nur jahresbezogen ermittelt wird und tagesscharfe Daten nicht veröffentlicht sind.
Die gesamte Studie kann im pdf-Format direkt HIER heruntergeladen werden
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