Zum geplanten Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall an den tschechischen Betreiber EPH erklärt Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik:
„Das Verkaufsfiasko von Vattenfall hat es mehr als deutlich gemacht: Die Braunkohleverstromung hat keine Zukunft. Eine schrittweise, sozialverträgliche Abwicklung des Braunkohlegeschäfts durch Vattenfall wäre für die Region, ihre Beschäftigten und das Klima die vernünftigste Lösung gewesen. Mit der EPH ist kein Problem gelöst, sondern lediglich verkauft. Die Unsicherheit für die Region und ihre Beschäftigten sowie die Folgeschäden bleiben bestehen. Statt nach wie vor auf der Zuschauertribüne zu verweilen, müssen die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen der EPH klarmachen, dass sie vor allem die Verantwortung für die Beschäftigten und die Renaturierungsverpflichtungen der bestehenden Tagebaue kauft. Die Landesregierungen dürfen der EPH nur dann eine Betriebsgenehmigung ausstellen, wenn ausreichend Rücklagen für die vollumfängliche Tagebausanierung sichergestellt werden. Wenn Brandenburg und Sachsen diese vom Bundesberggesetz gegebenen Möglichkeit nicht nutzen, wird die öffentliche Hand auf den Kosten des Deals sitzen bleiben – wie schon bei der Atomkraft.
Wenn man sich den tschechischen Käufer EPH und Investor PPF Investments genauer anschaut, wird deutlich, dass sie vor allem auf schnellen Profit aus sind. Der Konzern hat in der Vergangenheit bereits Kohle-Assets übernommen, wenn sie billig zu haben waren. Trotz langfristiger Arbeitsplatzzusagen wurden diese dann bei nächster Gelegenheit dicht gemacht. Dieses nun über der Lausitz ständig pendelnde Damoklesschwert ist ruinöser für die Region als ein schrittweiser Ausstieg mit verlässlicher Ansage.
Dass sich letztlich doch noch ein Käufer gefunden hat, ist auch Beleg für die katastrophalen Energie- und Klimapolitik dieser Bundesregierung. Sigmar Gabriels Ausbaudeckel für erneuerbare Energien und die Vergoldung des Ruhestands alter Kohlekraftwerke sind das Lockmittel für Spekulationen und finanzpolitische Heuschrecken. Seriösen Energieversorgern hingegen wird die Investitionssicherheit genommen. Ein klares Bekenntnis zu Klimaschutz und Energiewende und dem Ausstieg aus fossilen Energien, hätte diese Übernahme verhindern können und Vattenfall in der Verantwortung gehalten.“
Hintergrund:
EPH Chef Daniel Kretínsky taucht nicht nur in den Panama-Papers auf, im Zuge von Kartelluntersuchungen der EU-Kommission wurden EPH und J&T Invest Advisors im Jahr 2012 mit einer Geldbuße von 2,5 Millionen Euro belegt. Auch innerhalb der EPH-Tochter Mibrag kommt es zu Unstimmigkeiten: Der Arbeitsvertrag mit dem wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen über unsaubere Finanzgeschäfte suspendierten Mibrag-Firmenchef Dr. Geisler wurde Ende Januar zwar aufgelöst, er bestimmt die Geschicke des Unternehmens in seiner übergeordneten Funktion bei der EPH als deren Direktor für Braunkohleförderung in Ostdeutschland aber maßgeblich weiter, u.a. auch beim Vattenfall-Deal.
Auch erklärte Absichten gegenüber den von Umsiedlung Betroffenen zählen bei EPH nicht viel: So wurde jahrelang ein neues Kohlekraftwerk in Profen und damit die Umsiedlung von zwei Dörfern angekündigt, selbst als das Projekt klinisch tot war. Per Pressemitteilung wurden dann vor knapp zwei Wochen die Dörfer, die sich jahrelang auf die angekündigte Umsiedlung vorbereitet haben, davon in Kenntnis gesetzt, dass man das nun doch nicht mehr wolle, „weil dort zu wenig Kohle liege“.
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